Müllenborn, 13. Juni 2025: In seinem eindrucksvollen Vortrag ordnete Dr. Fredy Kahn in einem weiten Bogen seine Familiengeschichte in die historische Situation ein. Durch einen Schutzbrief des Landesherrn gab es seit dem 16. Jahrhundert in Schwaben Dörfer mit einem hohen Anteil an jüdischer Bevölkerung. Da es den Juden verboten war, in die Zünfte einzutreten, ergriffen sie andere Berufe. Dr. Kahns Vater war Viehhändler. Das Zusammenleben von Christen und Juden in den Dörfern war grundsätzlich eher gut, wenn auch immer wieder überschattet von Problemen, die bis zu einem Progrom im Jahre 1848 reichten.
Im Nationalsozialismus wurden Dr. Kahns Vater und dessen erste Frau Opfer des Holocaust. Der Vater überlebte sechs Konzentrationslager und kehrte 1945 vor allem aus Heimatverbundenheit in sein Dorf zurück, trotz aller Bedenken. Er heiratete eine Jüdin, die ebenfalls das KZ überlebt hatte. Ihr Sohn Fredy erlebte eine vordergründig unbeschwerte Jugend in seiner Familie und im Dorf. Das Trauma, das seine Familie prägte, blieb aber auch für ihn spürbar und überschattete, ohne es auszusprechen, seine Kindheit und, als transgenerationales Trauma, sein ganzes Leben. Er wurde Arzt und, als ihm später klar wurde, in welchem Ausmaß sich die Dorfbewohner beim Verkauf des Eigentums der Juden des Dorfs nach ihrer Verschleppung an den „Ankäufen“ beteiligt hatten, verließ er das Dorf.
Das Engagement gegen Antisemitismus und gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Diskriminierung wurde zu einem wichtigen Teil seines Lebens.
Dr. Kahns Ausführungen beeindruckten alle Zuhörer zutiefst. Sein liebenswertes Wesen, seine anekdotische und trotzdem tiefgründige Erzählweise erreichten alle. Seine „take-home-message“, der Zivilcourage und des Engagements für die Menschenrechte wird weitergetragen werden.
